Die geopolitische Zeitenwende.

 

Die geopolitische Zeitenwende unter Trump: Was Europa erwartet.

Die USA als unberechenbare Macht

In seiner aktuellen Kolumne (FOCUS, 1.3.25) setzt sich Jan Fleischhauer mit der veränderten geopolitischen Lage unter einer möglichen zweiten Amtszeit von Donald Trump auseinander. Er zeichnet das Bild einer USA, die sich nicht mehr als verlässlicher Partner Europas zeigt, sondern sich zunehmend als unberechenbare Macht darstellt, die ihre Interessen rücksichtslos durchsetzt. Dabei zieht er Parallelen zur Unterwelt und beschreibt Trump nicht als einen klassischen Mafiaboss mit festen Regeln, sondern als einen willkürlichen Schläger, der Schwäche ausnutzt und Stärke meidet. Während in der Mafia Hierarchien, Loyalitäten und ein unausgesprochenes Ehrenkodex-System existieren, operiere Trump nach keinem erkennbaren Prinzip außer der Maximierung seines eigenen Vorteils. Sein politischer Stil gleiche dem eines Straßenkriminellen, der Opportunitäten ausnutzt und keine langfristige Strategie verfolgt. Wer sich wehrt, wird umgangen, wer Schwäche zeigt, wird erpresst – ein reines Machtspiel ohne Regeln. Die zentrale These des Autors ist, dass Europa nicht nur einen Partner verloren hat, sondern als Feind wahrgenommen wird und sich darauf vorbereiten muss, auf sich allein gestellt zu sein.

Die Ukraine als Schauplatz rücksichtsloser US-Politik

Ein zentrales Thema der Kolumne ist der Umgang der Trump-Administration mit der Ukraine, da er exemplarisch zeigt, wie sich die US-Außenpolitik unter Trump verändert hat. Während frühere Regierungen trotz Differenzen auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Verbündeten setzten, wird nun zunehmend auf Druck, Drohungen und wirtschaftliche Erpressung zurückgegriffen. Fleischhauer verweist auf einen Bericht des "Wall Street Journal", in dem geschildert wird, wie der neue US-Finanzminister Scott Bessent Präsident Selenskyj unter Druck gesetzt habe. Die USA forderten demnach den Verzicht auf wertvolle Bodenschätze als Bedingung für weitere Unterstützung. Als Selenskyj sich weigerte, wurde ihm vorgeworfen, ein Diktator zu sein, was als Rechtfertigung diente, ihm die dringend benötigte Hilfe zu verweigern. Fleischhauer sieht darin ein alarmierendes Zeichen dafür, wie Trump internationale Politik betreibt – nicht als Bündnispartner, sondern als Erpresser. Dieses Vorgehen stehe in einer langen Tradition von politischer Erpressung, nur dass Trump es offener und rücksichtsloser betreibe als seine Vorgänger.

Europa im sicherheitspolitischen Vakuum

Besonders besorgt zeigt sich der Autor über die Folgen für Deutschland und Europa. Er warnt davor, dass eine Schwächung der transatlantischen Beziehungen Europa sicherheitspolitisch angreifbarer machen könnte. Sollte sich die NATO weiter destabilisieren oder Trump gar den Rückzug der USA aus dem Bündnis in Erwägung ziehen, könnte dies Länder wie Polen oder die baltischen Staaten in eine prekäre Lage bringen. Auch Deutschland müsste seine Verteidigungsstrategie überdenken, da es sich nicht mehr auf die militärische Abschreckung durch die USA verlassen könnte. Die bisherige Sicherheitsarchitektur, in der die USA als Schutzmacht agierten, sei faktisch obsolet. Trump mache kein Geheimnis daraus, dass er Europa nicht mehr als Partner, sondern als Rivalen oder gar als Gegner betrachtet. Während in der Vergangenheit zumindest innerhalb der Administration noch Korrektive existierten, sei nun ein Kreis von Loyalisten um Trump versammelt, die ihn nicht bremsen, sondern seine Haltung verstärken. Europa müsse sich darauf einstellen, dass Washington keine Rücksicht mehr auf traditionelle Bündnisse nehme und ausschließlich die eigenen Interessen verfolge, auch wenn das auf Kosten der europäischen Verbündeten geschehe.

Eine neue europäische Strategie

Fleischhauer beschreibt, wie er während eines Besuchs in Brüssel einen Stimmungswandel unter europäischen Entscheidungsträgern wahrnahm. Die Erkenntnis, dass sich Europa nicht länger auf die USA verlassen könne, beginne sich durchzusetzen. Eine verstärkte eigenständige Verteidigung sei nun unumgänglich. Dabei hebt er Ursula von der Leyen als geeignete Führungspersönlichkeit hervor, die in ihrer Zeit als Verteidigungsministerin bewiesen habe, dass sie in der Lage sei, große Organisationsstrukturen zu managen und sich durchzusetzen. Er weist darauf hin, dass ihre Bilanz als Verteidigungsministerin im Nachhinein positiver betrachtet werden könne, als viele es ursprünglich eingeschätzt hätten. Sie sei eine der wenigen europäischen Politikerinnen, die sich auf dem internationalen Parkett behaupten könne.

Die wirtschaftlichen Druckmittel Europas

Ein weiteres Thema der Kolumne ist die wirtschaftliche Abhängigkeit Europas von den USA. Bereits in der Vergangenheit haben wirtschaftspolitische Maßnahmen der USA, wie Strafzölle auf Stahl und Aluminium unter Trump oder Sanktionen gegen europäische Unternehmen im Zusammenhang mit Nord Stream 2, gezeigt, dass Washington bereit ist, seine wirtschaftliche Macht als Druckmittel einzusetzen. Diese Erfahrungen verdeutlichen, dass Europa sich auf weitere Handelskonflikte einstellen muss, falls Trump erneut ins Amt kommt. Fleischhauer weist darauf hin, dass Trump bereits Strafzölle gegen deutsche Produkte erwägt. Er schlägt vor, dass Europa als Reaktion wirtschaftlichen Druck auf amerikanische Tech-Giganten wie Google, Facebook oder Amazon ausüben könnte. Die EU verfüge über zahlreiche Möglichkeiten, um amerikanischen Unternehmen das Leben schwer zu machen – eine Strategie, die in Brüssel auf Zustimmung stoßen könnte. Er nennt Beispiele wie verschärfte Datenschutzregelungen oder neue Wettbewerbsauflagen, die gezielt gegen die Dominanz amerikanischer Unternehmen eingesetzt werden könnten. Europa habe wirtschaftliche Hebel, die es einsetzen müsse, um nicht zum Spielball amerikanischer Interessen zu werden.

Ein neues Bewusstsein in Europa

Zum Abschluss zieht Fleischhauer eine persönliche Bilanz. Er betont seine lange Verbundenheit mit den USA und seinen tiefen Respekt für das Land und seine Menschen. Dennoch komme er zu dem Schluss, dass Europa in der aktuellen Situation nicht sentimental sein dürfe. Eine politische Strategie müsse sich an Realitäten orientieren, nicht an alten Loyalitäten. Die derzeitige Herausforderung erfordere ein Umdenken und eine aktive Vorbereitung auf eine Zukunft, in der Europa seine eigene Verteidigung und wirtschaftliche Sicherheit ohne die USA organisieren muss.

Gleichzeitig reflektiert Fleischhauer, wie diese Entwicklung in der europäischen Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Während einige auf eine baldige Rückkehr der USA zur alten Bündnistreue hoffen, wächst in vielen Kreisen die Erkenntnis, dass Europa nun selbst Verantwortung übernehmen muss. Umfragen zeigen, dass das Vertrauen in die USA als verlässlichen Partner schwindet, und die politische Debatte über eine stärkere europäische Sicherheitsstrategie gewinnt an Fahrt. Dieser Bewusstseinswandel könnte langfristig zu einer Neuausrichtung der europäischen Außen- und Verteidigungspolitik führen.


Beliebte Posts