Die Wissenschaft und das Anthropozän: Ein Lehrstück über politische Einflussnahme

 

Das Anthropozän, ein vermeintliches neues Erdzeitalter, sollte durch Wissenschaftler und Aktivisten in der geologischen Zeitskala verankert werden. Die Vorstellung, dass der Mensch den Planeten so stark beeinflusst hat, dass dies eine neue geologische Epoche rechtfertigen würde, fand global Zuspruch und wurde in Medien, Lehrbüchern und politischen Diskursen breit diskutiert. Doch die Akzeptanz dieses Begriffs, der vor 24 Jahren vom Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen eingeführt wurde, stieß auf erhebliche Widerstände innerhalb der Geowissenschaften.

Hintergrund des Begriffs

Paul Crutzen hoffte, der Begriff würde als „Warnung an die Welt“ dienen. Doch schon früh äußerten Experten Bedenken, dass das Anthropozän die strengen Kriterien für ein neues geologisches Zeitalter nicht erfüllt. Eine Epochengrenze sollte weltweit klare Spuren hinterlassen, was die Anthropozän-Befürworter trotz intensiver Suche über 15 Jahre nicht nachweisen konnten. Zudem verliefen viele menschliche Einflüsse, wie der Anstieg der Treibhausgase, nicht abrupt und hinterließen keine scharfe Grenzschicht.

Wissenschaftliche Einordnung und Kritik

Geologen und Fachgremien wie die Internationale Kommission für Stratigraphie (ICS) und ihre Untergruppe, die Subcommission on Quaternary Stratigraphy (SQS), blieben überwiegend skeptisch. Die Unterschiede in der globalen Verteilung menschlicher Einflüsse und die mangelnde Schärfe der Übergänge zwischen den verschiedenen geologischen Schichten machten es schwierig, das Anthropozän als neues Zeitalter zu etablieren.

Kontroverse Abstimmung

Im März 2023 entschied die SQS mit großer Mehrheit gegen die Einführung des Anthropozäns als geologisches Zeitalter. Der Vorsitzende der SQS, Jan Zalasiewicz, der früher die Anthropozän-Arbeitsgruppe (AWG) leitete, versuchte mit seinem Stellvertreter, Martin Head, die Entscheidung zu verzögern. Ihre Gegner warfen ihnen Machtmissbrauch und Interessenkonflikte vor. Trotz mehrfacher Versuche, die Abstimmung zu verlängern oder das Ergebnis zu annullieren, war die Ablehnung des Anthropozäns eindeutig: 12 stimmten dagegen, 4 dafür.

Medien und politischer Einfluss

In den Jahren vor der Abstimmung hatten Medien das Konzept begeistert aufgegriffen und unterstützten Kampagnen, die das Anthropozän in den politischen und kulturellen Diskurs einbrachten. Lehrbücher, Filme und politische Programme förderten den Begriff, während Regierungen, wie in Deutschland, Projekte finanzierten, die das Anthropozän in verschiedenen Kontexten thematisierten. Dennoch fehlte dem Konzept eine solide wissenschaftliche Grundlage.

Fazit

Der Versuch, das Anthropozän als neues geologisches Zeitalter durchzusetzen, war geprägt von kontroversen Diskussionen, politischem Druck und widersprüchlichen wissenschaftlichen Befunden. Letztlich setzte sich die wissenschaftliche Methodik durch und die Geowissenschaftler lehnten den Antrag ab. Trotz aller Bemühungen wird das Anthropozän vorerst kein Teil der offiziellen geologischen Zeitskala.

 

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